Biomechanische Beurteilung

Eine biomechanische Beurteilung kann einen Zusammenhang zwischen den technisch-physikalischen Angaben (z.B. Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeuges) und den festgestellten Beschwerden und Befunden evaluieren; dabei werden in interdisziplinärer Zusammenarbeit von spezialisierten Fachleuten in Medizin und Ingenieurwesen auch die Besonderheiten der betroffenen Person mit einbezogen. Typische Fragestellungen lauten wie folgt:

  • Können die beschriebenen Beschwerden und medizinischen Befunde allein durch die mechanischen Einwirkungen des Ereignisses erklärt werden?
  • Sind von den physikalischen Einwirkungen des Ereignisses angesichts der konkreten Umstände Verletzungen zu erwarten? Wenn ja, welche?
  • Wurden Sicherheitsgurt/ Helm getragen? Hätte das Tragen zu einer anderen Verletzungsschwere geführt?
  • Führen veränderte Grundannahmen zu einem unterschiedlichen Verletzungspotential (z.B. was wäre passiert, wenn das Fahrzeug den Fussgänger mit einer anderen Geschwindigkeit angefahren hätte)?

Benötigte Unterlagen

Zusätzlich zu den technischen Dokumenten (siehe Technische Unfallanalyse) welche uns erlauben, die während des Ereignisses aufgetretenen Körperbelastungen abzuschätzen, sind für die biomechanische Beurteilung Berichte z.B. von Notfallkliniken, vom Arzt am Unfallort oder aus der Rechtsmedizin (Autopsie) erforderlich. Von Bedeutung sind insbesondere Grösse und Gewicht der Opfer, Berichte zu den ersten Untersuchungen nach dem Ereignis, der medizinische Zustand vor dem Ereignis, evtl. frühere Verletzungen, degenerative Vorzustände sowie Ergebnisse bildgebender Untersuchungen. Soweit möglich, sind Angaben zur speziellen Haltung oder Position des Opfers erwünscht (Sitzposition im Auto, Kopfhaltung beim Rückwärtsfahren, Abwehrbewegungen, Anlauf bei einem Sprung etc.).

Ansprechpartner: Dr. M. H. Muser / Dr. med. Chr. Lanz

Beispiel 1 – Heckkollision, LKW gegen Peugeot 106:

Polizeirapport: „Fahrzeug wenig beschädigt“

Dieser Eintrag führte zu einer erheblichen Unterschätzung der Fahrzeugbelastung. Aufgrund des Massenverhältnisses der Kollisionspartner (LKW gegen Peugeot 106) ist es aber zu einer erheblichen kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung (delta-v) und Beschleunigung des Peugeot gekommen, was die Beschwerden der Peugeot-Insassen zu erklären vermag.

peugeot

Beispiel 2 – Mercedes gegen Audi

Angaben der Beifahrerin des Audi gegenüber dem Arzt:

„Wir fuhren auf der rechten Spur. Der Mercedes überquerte die linke Spur und traf unseren Audi mit 100 km/h.“

mercedes audi

Technische Unfallanalyse: delta-v maximal 6 km/h, 90% in frontaler Richtung wirkend.